Berufsunfähigkeitsversicherung – Krankenakte anfordern oder nicht?

Bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung musst du Gesundheitsfragen beantworten. Beantwortest du diese falsch oder vergisst du relevante Dinge, riskierst du deinen Versicherungsschutz, denn die Versicherung hat in den ersten 10 Jahren nach Abschluss das Recht, die Leistung wegen vorvertraglicher Anzeigepflichtsverletzung (übersetzt = du hast falsche Angaben gemacht) abzulehnen.

Wir haben in den letzten Jahren pro Jahr hunderte BU Beratungen durchgeführt und insgesamt weit über 1000 Krankenakten durchgearbeitet. Dieser Umfang war für mein Team und mich auch ein kleines Forschungsprojekt, welches wir in den letzten Jahren dazu genutzt haben, zu hinterfragen, ob die Krankenakte vor dem Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung zwingend angefordert werden sollte. Bisher haben wir klar JA gesagt. Diese Meinung haben wir nun aber geändert.

Denn wir wissen mittlerweile aufgrund unserer Erfahrung, wo wir nach eventuelle Stolpersteinen suchen müssen. Ebenso haben wir viele Gespräche mit Risikoprüfern und Leistungsprüfern der Gesellschaften geführt und sind zu dem Ergebnis gekommen, nicht mehr prinzipiell vor jeder Beantragung die Krankenakte anzufordern. Warum ist das so?

Aufarbeitung Krankenhistorie

Aufgrund der hohen Datenlage und der Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren gesammelt haben, wissen wir genau, welche Fragen wir stellen müssen. Wir haben einen umfangreichen Fragenkatalog entwickelt, den wir mit unseren Kundinnen und Kunden im Erstgespräch durchgehen. Hier werden die Fragen nach der Krankenhistorie nicht so allgemein gestellt, wie in einem BU-Antrag, sondern sehr detailliert. Wir wissen mittlerweile, wo wir nachhaken müssen und was wichtig ist. Solltest du doch mal unsicher sein, sagen wir dir, wie du an die wichtigen Informationen kommst, die wir benötigen. Es wird also nichts Relevantes fehlen!

Auch die BU Versicherer fangen bereits an, ihre Anträge zu ändern. Einige Fragen z.B. nicht mehr nach Erkältungskrankheiten, ausgeheilten Verletzungen, Magen Darm Infekten, Hautproblemen, Frauenarztthemen ohne kontrollbedürftige Befunde o.ä.! Wichtig werden aber immer Medikamenteneinnahmen sein, andere Krankschreibungen (außer eben wegen einem Schnupfen), Krankenhausaufenthalte oder intensivere Behandlungen bei Fachärzten. Wenn du über Monate oder Jahre an gesundheitlichen Problemen leidest, dann weisst du das. Ebenso, ob du wegen Rückenschmerzen Massagen bekommen hast oder nicht. Wir werden dir die richtigen Fragen stellen!

§19 VVG

Diesen wichtigen Paragraphen habe ich dir hier mal verlinkt. Im Absatz 1 ist klar erklärt, dass der Kunde dem Versicherer die ihm bekannten Gefahrenumstände anzuzeigen hat. Gehen wir hier mal genauer darauf ein. Wenn du beim Facharzt bist, wegen einer Schilddrüsenerkrankung, dann weißt du das und wir geben es entsprechend an. Rechnet der Arzt hier weitere Nebendiagnosen ab, von denen du nichts wissen kannst, dann handelt es sich hierbei um dir nicht bekannte Gefahrenumstände. Der Versicherer wird dir niemals nachweisen können, dass du davon wusstest, vor allem eben wenn du nicht die Krankenakte angefordert hast.

Oder du bist beim Frauenarzt zur Vorsorgeuntersuchung. Dort gibt es keinerlei Beschwerden, der Abstrich war ohne Befund und auch sonst wurde nichts verschrieben (das geben wir zB im Antrag mit an). Trotzdem fragt dich der Arzt bei der Begrüßung, wie es dir geht und in lockerer Atmosphäre antwortest du „Mir geht es gut aber ich habe zur Zeit viel zu tun auf Arbeit“. Es gibt hier wirklich „nette“ Ärzte (auch Hausärzte), die dies schon als Anlass nehmen, dir eine Belastungsreaktion als F-Diagnose einzutragen. Diese Diagnose hat aber null Krankheitswert. Du wurdest deswegen nicht behandelt, warst nicht krankgeschrieben und hast auch keine Medikamente bekommen. Es ist für den BU Abschluss also nicht relevant und auch hier ist es ein dir nicht bekannter Gefahrenumstand.

Anders wäre die Lage, wenn du beim Frauenarzt von Stress berichtest, dann zum Hausarzt gehst, dich krankschreiben lässt oder eben sogar eine Therapie beginnst. Aber das weißt du ja dann auch und dann geben wir es an!

Nimmst du aber regelmäßig Medikamente wegen z.B. Bluthochdruck ein, dann ist es anzugeben. Aber auch hier weißt du ja davon!

Und wenn ich was vergesse?

Sobald du also deine Krankenakte anforderst und sie uns gibst, müssen wir ALLES angeben, was wir dort sehen. Und dann eben auch all die Falsch- und Nebendiagnosen, die überhaupt keinen Krankheitswert haben. Das eine oder andere kann man dann sicher mit einem Attest vom Arzt lösen. Finden sich aber ganz viele solcher Diagnosen, dann lehnt die Versicherung dich ab und das, obwohl du eigentlich relativ gesund bist. Der Risikoprüfer fragt sich dann, wer nun lügt. Der Arzt, der Dinge abrechnet die garnicht bestehen oder der Kunde, der den Arzt überredet hat ein Attest zu erstellen, um besser dazustehen.

Wenn du dir unsicher bist, ob du an alles gedacht hast, kannst du immer noch bei deinem Hausarzt anrufen und dir durchgeben lassen, weswegen du in den letzten Jahren krankgeschrieben warst. Das wäre erstmal die Prio 1. Ebenso kannst du fragen, ob es Überweisungen zum Facharzt gab, solltest du dich wirklich nicht mehr daran erinnern. Krankenhausaufenthalte solltest du eigentlich im Kopf haben. Ebenso Zeiträume und Gründe, warum du mal länger ein Medikament genommen hast (nicht die Pille oder Schmerztabletten).

Und am Ende bleibt mir nichts anderes übrig, dich zu bitten auf unsere Expertise zu vertrauen. Wie oben schon erwähnt, wissen wir mittlerweile wo wir nachfragen müssen und intensiver hinterfragen müssen um deine Krankenhistorie sauber aufzuarbeiten.

04.11.2023 | Berufsunfähigkeitsversicherung

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