Wenn du eine Berufsunfähigkeitsversicherung beantragst, musst du Gesundheitsfragen beantworten. Hier bist du dazu verpflichtet, diese mit besten Wissen und Gewissen zu beantworten. Tust du das nicht, verletzt du die vorvertragliche Anzeigepflicht und der Versicherer darf sich ggf. beim BU-Leistungsantrag von der Leistung freisprechen.
Wichtig ist hierbei der §19 VVG der besagt, dass der Kunde dem Versicherer die ihm bekannten Gefahrenumstände mitteilen muss. Ob du also zwingend deine gesamte Krankenakte nach wilden Abrechnungsdiagnosen durchsuchen musst, habe ich in diesem Beitrag schon erklärt.
Nun gab es 2015 ein Urteil (Urteil des BGH IV ZR 277/14 vom 25.11.2015) welches besagt, dass der Versicherer nicht mehr ablehnen darf, wenn der BU-Vertrag schon älter als 10 Jahre ist.
Das bedeutet in der Praxis folgendes: Wirst du innerhalb der ersten 10 Jahre nach Abschluss deiner Berufsunfähigkeitsversicherung berufsunfähig, checkt die Versicherung nicht nur, ob du berufsunfähig bist sondern auch, ob du die Gesundheitsfragen beim Abschluss korrekt beantwortet hast. Dazu ziehen sie sich sämtliche Unterlagen, Krankenakte, Arztberichte auch vom Abfragezeitraum zum Zeitpunkt des Abschlusses der BU-Versicherung.
Ist dein Vertrag älter als 10 Jahre, tun sie das nicht. Es wird einfach nur geprüft, ob du berufsunfähig bist oder nicht. Das beschleunigt den Vorgang natürlich ungemein.
Aufgrund des o.g. Urteils haben sich aber nun einige Menschen gedacht, sie könnten jetzt eine BU-Versicherung trotz Erkrankung abschließen, diese Erkrankung einfach verheimlichen und dann die 10 Jahre abwarten und hoffen, dass vorher nichts passiert. Dann wären sie ja trotzdem versichert obwohl sie niemals eine BU hätten abschließen können.
Noch verrückter ist, dass es sogar “Berater” da draußen gibt, die Menschen noch bei diesem Vorhaben unterstützen.
Warum das aber nicht so einfach ist sollte allen klar sein, wenn man sich etwas intensiver mit den juristischen Fakten beschäftigt. Es wurden im o.g. Urteil nämlich nicht die Themen wie Versicherungbetrug (Achtung: Strafrecht!) oder ein Blick in den §242 BGB (Treu und Glauben) geprüft.
Wenn du grob fahrlässig handelst bei der Beantwortung deiner Gesundheitsfragen, wird der Versicherer sehr wahrscheinlich trotzdem leisten. Wenn du aber vorsätzlich und/oder arglistig Dinge nicht angibst, von denen du wissen musst, stehen deine Chancen ziemlich schlecht.
Wenn du also gerade in Behandlung bist und regelmäßig Tabletten nimmst, sollte es klar sein, dass man sowas nicht grob fahrlässig mal eben vergessen kann. Auch nicht, wenn du vor nem halben Jahr wegen einem Schlaganfall oder einem schweren Unfall o.ä. in Behandlung warst, sowas kann man nicht vergessen.
Vergessen kannst du aber mal eine Behandlung beim Hautarzt vor 3 Jahren die ohne weitere Beschwerden war oder irgendwelche Erkältungskrankheiten (nach denen viele Versicherer mittlerweile sowieso nicht mehr fragen).
Und wenn du jetzt doch mal was aus Versehen vergessen hast (grob fahrlässig), dann muss als erstes ein Zusammenhang zwischen dem, weswegen du berufsunfähig geworden bist und dem. was du vergessen hast, stehen. Wenn du also z.B. wegen einer psychischen Erkrankung berufsunfähig wirst, aber vergessen hast, eine harmlose und einmalige Behandlung beim Orthopäden anzugeben, dann wird der Versicherer trotzdem leisten.
Wenn du aber arglistig die Therapie beim Psychologen nicht angegeben hast (sowas sollte man eigentlich nicht vergessen) dann ist der Zusammenhang zwischen dem Grund der BU und der nicht angegeben Erkrankung egal. Du bekommst dann keine Leistung!
Nun gab es aber ganz frisch ein weiteres Urteil zu dieser Thematik vom OLG Braunschweig im Dezember 2024, genauer gesagt den Beschluss des OLG Braunschweig vom 11.10.2023 unter dem Aktenzeichen 11 U 316/21. Dies ging dann weiter in Berufung und wurde jetzt vom BGH abgewiesen.
Vereitelt der Versicherungsnehmer einer Berufsunfähigkeitsversicherung gezielt das Recht der Versicherung auf Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen arglistiger Täuschung, indem er den bereits zuvor eingetretenen Versicherungsfall erst nach Ablauf der Frist aus § 124 Abs. 3 BGB meldet, kann der Versicherung ein sich aus dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB ergebendes Leistungsverweigerungsrecht zustehen.
Worum ging es in dem Fall?
Ein Polizist hatte zum 01.09.2008 seine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen und die Frage im Antrag nach psychischen Erkrankungen verneint.
Wie die Versicherung aber herausgefunden hat, war der Kunde bereits seit 2005 wegen psychischer Probleme in Behandlung, mehrfach krankgeschrieben und hat auch langfristig Medikamente einnehmen müssen. Das zog sich bis 2008, dem Zeitraum des Abschlusses der BU-Versicherung. Nichts, was man mal eben vergisst.
Leider wurde seine Erkrankung immer schlimmer und es kam noch eine Augenerkrankung hinzu. Somit wurde er im Oktober 2017 dienstunfähig in den Ruhestand versetzt. Er wartete dann noch bis zum September 2018, also genau 10 Jahre und 2 Tage nach dem Abschluss der BU-Versicherung und beantragte dann Leistung aus seinem Vertrag über einen Anwalt.
Der Versicherer lehnte aus mehreren Gründen ab, das ganze ging vor Gericht und wurde dann auch dort im Sinne der Versicherung abgewiesen mit der Begründung, dass der Kunde hier arglistig gehandelt hat:
„Vor diesem Hintergrund ist der Senat davon überzeugt, dass der Kläger in hohem Maße treuwidrig gegenüber der Beklagten gehandelt hat, indem er bewusst den Ablauf der Frist des § 124 Abs. 3 BGB zur Meldung des Versicherungsfalls abgewartet hat, um eine Anfechtung des Versicherungsvertrages durch die Beklagte aufgrund seiner arglistigen Täuschung der Beklagten bei Vertragsschluss zu vereiteln. Hierdurch hat er in besonders schwerem Maße gegen seine Pflicht, auf die Interessen der Beklagten Rücksicht zu nehmen, verstoßen.“
Aus unserer Sicht ist dieses Urteil wichtig und richtig und sollte allen da draußen zeigen, dass sie mit Betrug und arglistischer Täuschung keine Chance haben, Geld von einer Versicherung zu bekommen. Ein wichtiger Schritt auch für die Versichertengemeinschaft, die hier durch solche betrügerische Investitionsmodelle nicht mehr weiter geschädigt wird.